alte Klingenthaler Geige - Klangverlust nach Leimung?


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alte Klingenthaler Geige - Klangverlust nach Leimung? 13608

Newbie Beiträge: 1 *
alte Klingenthaler Geige - Klangverlust nach Leimung?
« am: 16. Mai 2010, 17:08:46 »
Hallo!

Ich habe ein großes Problem. Meine wunderschön klingende alte Geige (Klingenthaler Arbeit, unbekannter Meister, ca. 200 Jahre alt) musste an einigen Randstellen an Boden und Decke geleimt werden. Diese hatten sich wohl durch sehr viel Üben, Körperwärme- und -schweiß geöffnet. Ich habe vor zwei Wochen plötzlich ein Surren bemerkt.

Daraufhin habe ich die Geige zum nächsten Geigenbauer gegeben zum Verleimen. Er meinte, dass so etwas häufiger vorkomme und dass das Problem sich ohne großen Aufwand beheben liesse. Wir einigten uns auch darauf, dass er etwas Schutzlack auf der Oberzarge auftragen sollte. An der Stelle war durch den Handschweiß der vorhandene Lack schon ziemlich abgenutzt.

Vor einer Woche bekam ich meine Geige zurück. Der singende, helle, klare Klang ist weg !!! Die Geige klingt gedämpft, matt, nasal, der Ton schwingt nicht mehr. Es ist eine Katastrophe!!

Der Geigenbauer empfahl eine Justierung von Stimmstock und Steg. Die Spannungsverhältnisse im Korpus könnten sich durch die Leimung geändert haben. Durch die Justierung ist der Klang zwar geringfügig besser geworden, aber es besteht weiterhin ein Unterschied wie Tag und Nacht im Vergleich dazu, wie diese Geige vorher geklungen hat.

Ich bin verzweifelt. Wie kann so etwas sein? Wurde "zu fest" oder "zu viel" geleimt? Es musste wohl mehrfach, an mehreren Tagen und an verschiedenen Stellen geleimt werden, bis das Surren weg war. Sollten die neuen Leimungen (im Bereich des Kinnhalters, an den Seitenzargen, an der Decke und der Oberzarge) wieder entfernt werden, sollte ich die Geige lieber einem anderen Geigenbauer anvertrauen, der eine besondere Expertise mit alten Geigen hat (obwohl angeblich doch alle Geigenbauer sich mit alten Geigen auskennen?) Hinzu kommt, dass ich in zwei Wochen ein Prüfungsvorspiel habe, von dem viel abhängt, und ich kann nicht mehr auf meiner Geige so spielen wie vorher, der Klang ist einfach weg... 

Hat jemand einen Tip, einen Rat, wie der ehemalige Klang wieder hergestellt werden kann?

Katarina
Administrator Beiträge: 216 *****
Re: alte Klingenthaler Geige - Klangverlust nach Leimung?
« Antwort #1 am: 17. Mai 2010, 13:51:48 »
Hallo Katharina,

es ist schwer, aus der Ferne zu beurteilen, woran es genau liegt, dass sich der Klang negativ verändert hat.
Mit Sicherheit hat die Geige nach dem Leimen etwas andere Spannungsverhältnisse.
Die offenen Stellen Deiner Geige kamen  nicht durchs viele Spielen (ausgenommen die Handstelle neben dem Halsfuß), sondern durch den langen Winter, der gerade in geheizten Räumen zu extremer Trockenheit führte.
Und das ist Gift für alle Streichinstrumente.
Das Holz troknet sehr stark aus und schwindet dabei (wird kleiner). Die Zargen des Instrumentes sind aber relativ starr und können diese Bewegung nicht mitmachen. Als Folge davon senkt sich die Decke zunächst (gerade Cellisten beobachten daher im Winter oftmals ein zu niedrige Saitenlage), reicht dies als Kompensation nicht mehr aus, lösen sich Decke und Boden von den Zargen. (oder, falls sie zu fest geleimt sind, gibt es Risse in Decke und Boden).
Wenn in diesem Zustand nun die Leimungen durchgeführt werden, kann es passieren, dass die Decke im "kleineren" Zustand aufgeleimt wird (eine andere Möglichkeit hat der Geigenbauer auch kaum-- sonst müsste die Geige länger in der Werkstatt bleiben um durch Luftfeuchtigkeitszufuhr den eigentlichen Zustand wieder herzustellen). Dies kann natürlich zu klanglichen Veränderungen führen. Denn normaler Weise klingt eine umlaufend geschlossene Geige besser als ein offene...
Zu fest und zu viel geleimt, kann man wohl ausschliessen.
In den nun verbleibenden 2 Wochen ist es schwierig genau den Klang wieder zu finden wie vor der Reparatur, zumal Deine Anspannung vor diesem wichtigen Termin ohnehin groß sein dürfte.
Ich würde einmal nachsehen, wie der überstehende Deckenrand bei den geleimten Stellen aussieht. Ist der Randüberstand ungefähr genauso groß wie bei den nicht neu geleimten? Falls da größere Unterschiede sind, würde ich den Geigenbauer einmal darauf ansprechen.
Ansonsten bleibt in dieser Zeit eigentlich nur, mit Stimme und Steg zu probieren, die neuen Spannungsverhältnisse auszugleichen.

Grüße
aus Lübeck

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Re: alte Klingenthaler Geige - Klangverlust nach Leimung?
« Antwort #2 am: 27. Mai 2010, 16:49:12 »
Hallo Katarina,

vermutlich werden Sie meine "Weisheiten" zu spät für Ihr Prüfungsvorspiel erreichen, vielleicht haben Sie aber jetzt im Endspurt doch noch eine Chance.

Gerade Klassik-Streichern empfehle ich gern den gelegentlichen Besuch von Konzerten großer Blues-Gitarristen. Sie werden dabei eine erstaunliche Entdeckung machen. Obwohl der Künstler ganz offensichtlich eine Lieblingsgitarre hat, steht genau dieses Instrument in mehrfacher Ausfertigung auf der Bühne. Erst beim zweiten Blick sieht man, dass die einzelnen Gitarren elektrisch anders bestückt sind, die Bunddrähte unterschiedlich dick sind, die Mechaniken anders aussehen, etc. Kurz - für jede Stimmung, für jede Art von Spielweise sind diese Instrumente anders eingerichtet.

Fiddler (Jazz, Folk, Bluegrass, etc.) kennen und nutzen das; für Klassik-Fans ist das zu oft ganz weit weg. Die Gestaltungsmöglichkeiten liegen (neben der Saitenwahl) in der Position von Steg und Stimme (Materialstärken lasse ich hier einmal weg). Damit kann eine Geige innerhalb erstaunlich weiter Grenzen nach den persönlichen Anforderungen des Musikers eingerichtet werden.

Ich gehe einmal davon aus, dass Ihr Instrument nicht verpfuscht oder verschlimmbessert wurde. Die Verleimung wird vermutlich handwerklich absolut sauber sein. Es ist aber absolut unwahrscheinlich, dass bei den Arbeiten Steg und Stimme an exakt den gleichen Positionen stehen geblieben sind. D.h.: Ihr Instrument kam anders eingerichtet (Achtung: Das ist kein Qualitätsurteil!) zu Ihnen zurück.

Ihre persönliche Einrichtung liegt da irgendwo in den Verschiebewegen von Steg und Stimme. Gerade bei Klassik-Streichern hält sich hartnäckig die Mär, das Ganze sein ein Fall von Justage=Reparatur (also Geige abgeben nach dem Motto: "Mach mal!"). Das Einrichten geht aber nur mit dem Musiker zusammen(!) und ist eine langwierige "Fummelarbeit".

Also (wenn noch möglich) Termin machen zum Einrichten. Zeit mitbringen (kann Stunden dauern) und einen lieben Kollegen (zur Beurteilung des Raumklanges) hinzuziehen. Und bitte fair bleiben - das Ganze ist keine Reklamations-  oder gar Gefälligkeitsgeschichte. Für einen feuchten Händedruck und eine Flasche Wein kann ein Geigenbauer das nicht leisten!

Hintergrundinfos finden sich übrigens unter:
http://www.geigenbauonline.de/?Werkstatt:Reparatur:Stimmstock
und
http://www.geigenbauonline.de/?Werkstatt:Reparatur:Steg

Auch hier gilt: Das sind keine Bastelanleitungen für Selbstversuche! Gerade mit dem ungeschickten Keilen der Stimme kann man aus seinem Instrument einen (teuren) Reparaturfall machen. Zudem findet ein Geigenbauer eher die Positionen wieder, wenn man feststellt: "Nee - die Variante ist es wohl nicht, können wir noch einmal auf den vorletzten Schritt zurück?"

Viel Glück!

 

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